Literaten-Tinder 2.0: Jetzt mit Instagram-Integration

Die mysteriöse Julia Niedermeier, von der die KLW-Leitung seit dem Text eigentlich nichts mehr gehört hatte, kroch schließlich doch noch aus ihrem Funkloch in Niederbayern (Lüge, sie ist internetaffiner als der halbe Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit. Immer diese Vorurteile.) und erklärte sich für eine Reise in die weltoffene Großstadtmetropole Würzburg und ein Interview bereit. Zwischen bunten Cosplayern im Garten der Residenz beginnen wir selbiges. So was Tolles wie ein UNESCO Weltkulturerbe hat ihre froschbewappte Heimat Pilsting zwar nicht, dafür aber einen wachsenden Felsen.

[Auf Bitten der Interviewten wurde das Folgende größtenteils in Hochdeutsch übersetzt, auch wenn der Interviewer selbst es nur zu gerne im Original transkripiert hätte.]

Was ist das Schreiben für dich?

“Es ist eine Art für mich die Gefühle, die ich in mir habe, auszudrücken. Ich habe das vor allem angefangen, weil es mir damals sehr, sehr schlecht ging und ich hatte so ein kleines Buch, da musste ich anfangs – hat mich eine Freundin dazu verdroschen – jeden Tag drei gute Sachen reinschreiben, die mir passiert sind. Das fiel mir am Anfang unglaublich schwer, aber mit der Zeit wurden die Texte immer, immer länger und so hat sich das dann entwickelt. Es ist für mich einfach meine Ausdrucksform, weil ich mit dem Sprechen…”

Zum Beispiel mit Bayrisch?

[Gelächter] “Ja, auch mit Bayrisch. [Weil ich mit dem Sprechen] wahnsinnige Probleme habe, dass zu äußeren was ich fühle und denke und das kann ich in schriftlicher Form einfach besser. Das bedeutet mir schon sehr viel, dass mein Gegenüber jetzt wirklich weiß, was ich dazu denke, was ich zu sagen habe.”

Marco hatte in seinem Interview mit mir etwas gesagt, dass ich auch später bei anderen Autoren wie Pu Songling oder Hemingway wiederfand, das dazu vielleicht auch gerade gut passt. Er meinte, für ihn sei Schreiben eine Form der Selbstvergewisserung, dass er Angst habe, man mache sich das Leben zu komfortabel und hätte dann nichts mehr, worüber man schreiben könne. Glaubst du das Schreiben irgendwie … Dass man – in gewissem Sinne — nicht schreiben kann, wenn es einem gut geht?

Nein. Tatsächlich nicht. Also ich habe auch immer [so] gedacht, weil anfangs habe ich ja immer nur Texte geschrieben, wenn es mir richtig scheiße ging. Und ich würde aber erst sagen jetzt seit einem halben Jahr tatsächlich schreibe ich auch so dann Texte, spontan, wenn es mir eigentlich auch gut geht. Jetzt habe ich zum Beispiel einen Text über meine Ausbildung geschrieben. Und wenn man das so vergleicht, wenn ich mir meinen Ordner so durchlese, dann sieht man am Anfang es war immer alles trist und elend und jetzt kommen auch lustige Texte und was Schönes. Deshalb kann ich jetzt nicht sagen, dass, wenn es einem gut geht, dass man dann nicht schreibt.”

Ja okay. Aber du würdest schon dieser Idee von Schreiben als Selbstvergewisserung zustimmen?

“Schon.”

Interessant eigentlich. Zum Text. Bearbeitet der eine eher persönliche Erfahrung oder ist es eher so, dass du die Sache an sich irgendwie ansprechen wolltest?

“Ja, das ist eine persönliche Erfahrung. Ich habe den Text letztes Jahr im August geschrieben. Zu dem Zeitpunkt war ich in der Klinik, und ich war in dieser Klinik schon öfter, mehrere Male und … das ist für mich schon ein bisschen schwierig…”

Du musst auch nichts darüber sagen-

“Ne, gerne. Also, ich versuch es mir irgendwie zu erklären, nur da fehlen mir dann – siehsts – die Worte dafür, was ich dann besser tippen kann. Ich habe mit der Person, um der es in dem Text geht, mit der habe ich mich immer viel unterhalten. Und ich war der Person immer unheimlich dankbar, aber konnte es ihr nie so wirklich sagen. Und dann habe ich einfach diesen Text geschrieben, habe ihn ihr aber nie gegeben. Ich habe ihr nur erzählt, dass ich ihn geschrieben habe. Und dann habe ich gesagt: „Irgendwann, da schreibe ich ein Buch und da ist der Text drinnen und den können Sie lesen.“ Da hat sie gelacht und gesagt: „Das haben schon so viele gesagt und nie kam ein Buch.“ Und jetzt freue ich mich, dass ihr das gedruckt habt, weil dann kann ich ihr den [bzw. die KLW] geben und sagen: „Bitteschön, ich habe mein Versprechen eingehalten.“

Cool, das freut uns. Wie hast du denn überhaupt von der KLW erfahren?

“Über Instagram. Ich hatte mir da gerade einen neuen Account erstellt, im Feed herum gestöbert, euch entdeckt und da hattet ihr gerade den Post geschrieben, dass ihr Texte sucht oder Autoren und da habe ich mir gedacht, schicke ich mal etwas hin.”

Und wie ist es als Bayer nun hier in Würzburg? Wie hart ist der Kulturcrash?

Hart. Also wirklich. Vor allem wegen der Sprache, immer noch. Jetzt waren wir beim Essen [Gelächter] — haben die mich nicht verstanden. Und dass ist mir dann peinlich. Obwohl ich eigentlich gern bayrisch spreche. Ich war auch mal in Berlin und da habe ich auch etwas bestellt, etwas zu trinken. Ich sag: „A Fanta bitte“, hat er gesagt: „What?“, hat er gedacht ich rede Englisch. Und hier so: Straßenbahn, alles Mögliche. Das gibt’s bei uns alles gar nicht. Es gibt einen Bus. Einen. Einen Einzigen. Und der kommt alle vier Stunden, wenn du Glück hast. Das heißt unter 18 bist du da verloren, wenn du mal irgendwo hinmusst. Und hier kommst du überall hin. Das ist ein anderes Universum.”

Schon mal ne Kuh umgeschmissen?

“Ne was?”

Ne Kuh umgeschmissen?

“A Kuh? [Gelächter] Warum?”

Keine Ahnung, das ist so mein Stereotyp von Freizeitbeschäftigungen für Bayern auf dem Land.

“Ne.”

Was sind deine Gedanken zum Projekt und wie fühlst du dich als „Außenseiter“?

“Ich find es super, dass ihr das macht. Weil ich kenne so viele Menschen die schreiben und niemals hat irgendjemand diese Texte je zu Gesicht bekommen. Und ich habe auch nicht gedacht, jemals würde jemand was von mir lesen und da auch noch Gefallen dran finden. Deshalb war ich super überrascht, dass ihr den abgedruckt habt. Also es war eine Ehre, ist es immer noch.”

Ja super, danke. Das war ja auch das Ziel.

“Jetzt fühl ich mich wie ein richtiger Poet.”

Ja? Irgendeine poetische Sache, die du dazu beisteuern willst? Sowas wie: „Der Himmel ist grau. So wie mein Leben.“?

[Gelächter] “So spontan?”

Klar, Gelegenheitsdichtung. Wichtiges Genre der chinesischen Lyrik.

“Ich rauche gerade eine Zigarette.

Häng am Leben wie eine Klette.

[Gelächter] Ich freu mich über dieses tolle Wetter,

Ich mag Holzbretter.”

[Gelächter] Das war schön.

Ersichtlicherweise begann das Niveau zu sinken und ab hier wurde es nur noch schlimmer. Eigentlich nicht, aber ich wollte mich für die lesefaule digitale Community von Heute dieses Mal etwas kürzer fassen, lasse hier also den Zeitraffer anlaufen. Von da kommen wir zu Dadaisten, Dorfleben, Homosexualität, Walther von der Vogelweide und anderen Würzburger Sehenswürdigkeiten. Sie lernt ein bisschen über die Stadt und weitere Mitglieder der KLW kennen und ich, dass man in Bayern wohl unter einer Aspirationspneumonie Leberkäs versteht, der in der Lunge stecken geblieben ist.

Die KLW bedankt sich für das Interview!