Ausgabe 08

  • 19/11/2021

Vorwort #8

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Sehr geehrter Herr Karl W.
Hallo Karl?
He du.

Ich weiß, es wird Zeit, dass ich dir schreibe, habe mich schon zu lange davor gedrückt. Das Vorwort gibt mir endlich einen Vorwand, der Zug nun die Gelegenheit dazu – „… heute fünfundzwanzig Minuten später von Gleis sechs …“ – Ob ich mir Sorgen machen soll, weil ich schon zum dritten Mal verstehe: „… Grund dafür sind Reparaturen an einer Leiche …“?

Ich zeichne absurde Gedankenbilder und radiere sie wieder weg … zurück zu dir.
Ich weiß, es wird Zeit, dass ich Worte an dich, statt immer nur über dich finde.
Man fragte mich schon voll Eifersucht:
Wer ist denn nur dieser Karl W., über den du immer redest?
Und wieso triffst du dich ständig mit ihm?
Ich versuchte mich zu erklären – wohl eher vor mir selbst – und traf auf Unverständnis:
Was soll denn das jetzt, oooh, literarisches Engagement, Ehrenamt, wir sind ja alle so engagiert, junge interessierte Generation, tolles Projekt und so … – Ich kotz gleich!
Mir scheint:
die Menschen können mein Gekotze nicht mehr ertragen,
und nicht aufhören darüber zu lachen,
und nicht aufhören mitzumachen,
ich danke ihnen für die Nachsicht, und apropos,
ich danke dir für die Nachricht, du weißt, auch wenn sie nicht an mich gerichtet war.
Ich weiß, du fragst immer nach Partizipation, aber ich frage mich, was das ist.
Statt produktiv zu sein, war ich bisher höchstens destruktiv mit meiner Meinungslosigkeit.
Entschuldige mich, ein unabsichtlicher Boykott. Ist die Enthaltung in einer Abstimmung schon Partizipation? Ich boykottiere den Druck, Position beziehen zu müssen. Was mich kalt lässt, lässt mich kalt. G.F. schrieb #7: Wer schweigt, bejaht. Aber ich schweige ja nicht, sondern werfe dir meine Enthaltungen um die Ohren. Wer es braucht, nehme meine Neutralität als Ablehnung. Nichts gegen dich, nur so generell. Ich stoße in letzter Zeit auf viele Probleme mit Sprache, dem Abbild und der Ursache vielen Übels, und zugleich der einzigen Option, die es gibt. Und du, du bestehst doch aus nichts anderem! Mein Beileid. Falls du dir schon Sorgen gemacht hast: ja, es gibt Grund dazu. Bist du nun Freund oder Feind? Und wozu immer diese plakativen Dichotomien? Komplexitätsreduktion ist auch Ursache vielen Übels, und dennoch die einzige Option, die wir haben.
Also wohl weiter so – Mach dir keine Sorgen.
Ach Karl W.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist wohl schon fast drei Jahre und einige Sinneswandel her, dass ich deinen Namen das erste Mal hörte von einem vorbeilaufenden Jungmenschen, als ich gerade mit dem Kopf in der Mülltonne steckte. Versuchen wir keine Metaphern zu lesen, wo keine sind. Jetzt bist du acht Einheiten alt und ich gratuliere dir mit diesem Brief zum Namenstag. Der Kuchen ist gebacken und jedes Wesen darf so viele Zeilen kosten, wie es will, kotzen auch erlaubt. Auf den Teller, servierte Kotze zum Kosten für alle, auch gut.
Genug?

Ein pronomenloses V. mit einer Vorliebe für Nullen


(ohne Titel)

Ich meditier
im Jetzt & Hier
und schenke mir
als Souvenir
ein feines Gespür.
Und wofür?

Ganz allein
für mich & mein Sein.


Nachwort #8

„Dat is kein herkömmlicher Laden hier“, sagt der alte zerzauste Herr durchweg bestimmt zum Menschen, den er nur im Spiegel des getönten Ladenfensters sieht. „Wenn du hier den Straßenkater packst und der gilt gemeinhin als Allgemeingut, und dann tauchst du den kopfüber in das Klosett. Das wird gemacht, fällt aber niemandem auf. Was sagst du dazu?
Das hat ja im Allgemeinen nichts mit Transparenz zu tun. Sollst ja auch an keine Statistik glauben, die de nich‘ selbst gefälscht hast. Verstehst’e? Es fällt in so etwas wie ’ne moralische Grauzone, was ich da nun angebe und mitteile. Einen rechtlichen Rahmen gibt es ja nicht. Ob du jetzt einen gemeinnützigen eingetragenen Verein leitest oder mit dem Fernglas nach denen Katzen schaust ist egal. Die möchten nur wissen, wie du das finanzierst, des ist des A und O. Auch das muss so ’ne Demokratie aushalten.“

Hinter den getönten Fenstern einer herkömmlichen Ladenfront:

neondoggystyle beißt dunkelheit in umsichgreifendes licht von einer unergründbaren quelle zwischen sich verschränkenden räumen von vierbeinern ohne kopf und ohne die absicht der reflexion fernzubleiben oder näher zu rücken schlangenfrüchte erleben still höhe unbeteiligte werfen schatten konzentration von konservierungsbehältern die 0111010010 nicht verstehen umgekehrte entropie masse breitet sich aus beine werden zu armen und fliegen regel nummer eins wir leben in einem irrenhaus sprich nicht davon regel nummer zwei wir leben in einem irrenhaus sprich nicht davon ich war die ganze zeit du schon lange bevor beim einschlagen zweier hände das weiße pulver zersprengte

der mensch ist fraglich fragil ob er nun an tischchen sitzt wo gestämmt wird weiß er nicht wie wir uns wirklich fürchten oder welches gift zu lange in einem bleibt und ich war die ganze zeit du auch das eine mal als wir dem klu-klux-klan in die suppe spuckten bis du blut spucktest in der stadt der 116-fachen unds und ich war die ganze zeit du das versuche ich dir schon ewig zu sagen die gehhilfen auf dem weg nach erlongen dem ort des fränkischen drachen head-cha-la mach dir mal gedanken ob wir die äsung überhaupt so stattfinden lassen wollen es gilt ja wieder der katastrophenfall

„Was war noch gleich der Unterschied gewesen? Zwischen Rot- und Dammwild? Herr Durden, immer eine Freude Sie anzutreffen.“

Liebe:r Leser:in, wie ist es um Sie bestellt?

Die Herausgeber