Anmerkung der Redaktion:
Wir stehen zusammen in Wäldern. Wir sitzen zusammen in Zügen. Wir sind uns zusammen unzureichend bekannt oder hinreichend unbekannt. Zusammen machen wird das, was man nicht alleine macht: schlafen, essen, arbeiten, essen, schlafen. Natürlich, wir sind anspruchslos. So auch
unsere Unterhaltungen. Finden wir in Ironie gegenseitigen Respekt für Eigenheiten und Gemeinsamkeiten? Du sagst, „es dient dem Kennenlernen“, ich sage „es dient dem Gegenteiligen“.
Und wenn wir in dieser Frage nicht zusammen kommen, dann schmunzeln wir zusammen. In diesem Fall: Kein Kompromiss nutzt niemandem. „Sie wollten noch etwas trinken?“
„Längst lacht niemand mehr über unsere Ironie, es wird allenfalls geschmunzelt. Selbst das ist verwunderlich, verwandelte sie sich doch gerade in den letzten zehn Jahren zu einem faden, kollektiven Partygag und zeugt kaum mehr von Esprit. Mehr noch, sie ist zu seiner sicheren Insel, einem Rückzugsort geworden, für Redner, die Angst haben. Die vermeintliche Sicherheit der Ironie rührt daher, dass alle Gesprächsteilnehmer, sobald sie enthüllt wurde, eben gemeinsam schmunzeln können, aus falschem stillem Stolz, in dieser Gemeinschaft die Realität kurz negiert zu haben und trotzdem aus keiner Rolle gefallen zu sein. Allein dieses Schmunzeln ist anspruchslos.
Kein professioneller Humorist schmunzelt heute mehr über unsere Ironie, wahrscheinlicher eher, dass sie wieder anfangen zu lachen, aber aus Ablehnung. Die Ironie behält weiterhin hartnäckig den Ruf scharf zu sein, dabei ist sie weich und flach. Die Schärfe kann eine rhetorische Figur mit komischem Effekt nicht behalten, wenn sie institutionalisiert, abgestumpft wird. Der komische Rhetor hat den Auftrag Konventionen auszuweichen. Er muss sie nicht zerstören, er lebt durch Abgrenzung zu ihnen, aber er weicht ihnen aus und tritt in die Lücken dazwischen. Wenn die Gesellschaft beginnt diese Lücken zu füllen, muss er ausweichen und neue Lücken finden oder schaffen. Tut er es nicht, so wird er konventionalisiert, er wird träge und faul und mitunter erfolgreich. Wenn sich die Gesellschaft eine seiner Figuren einverleibt, muss er sie zurücklassen und darf nicht wehmütig werden, denn die Figur hat ihren Glanz verloren.
Noch aus einem weiteren Grund ist unsere Ironie heute falsch.
Als Otto Waalkes in den 1970-Jahren den Menschen lehrte über Penisse zu lachen, war das gut und richtig, denn die Menschen konnten hier schlecht über Penisse lachen und sie brauchten jemanden, der es sie lehrte. Nur so konnten sie sich mit ihren Penissen und Vaginen und deren Miteinander auseinandersetzen. Otto Waalkes ist heute erfolgreich, faul und träge, aber er ist vor über 50 Jahren in eine Lücke getreten.
So wie Nachkriegs-Deutschland inhaltliche Lücken hatte, hat unsere Gegenwart eine Lücke in der Drastik. Die Methoden sind zu behäbig angesichts der Umstände. Wenn die Gesellschaft behäbige Methoden hat, muss der Humorist als Treter umso drastischer sein. Unsere Nudelsalat-Ironie ist nicht drastisch. Sie möchte elegant sein durch uneigentlich Gesagtes, ist aber in unserer Lage vor allem mangelhaft. Die Gegenwart von 2020 bedarf eigentlich Gesagtes und Drastik. Unsere Ironie hingegen ist distanziert, bequem und nicht zuletzt feige.“
„Möchten sie noch etwas trinken?“