,,Also man befriedigt diesen Drang, befriedigt…“

Wir trafen uns um 10:30 am Kaffeeautomaten an der Tür im Philosophischen Institut. Anton Maria Moser, Autor von (bald) zwei in der KLW erschienen Texten, erstrahlt in Sonnengelb, Jacke wie Haare. Seine Stimme überrascht, ist etwas tiefer als ursprünglich vermutet, aber sehr angenehm.

Ich klau direkt mal von dir: „Ich will Sie hiermit grüßen. […] Verzeihen Sie, sind Sie hier vom Haus?“

[Gelächter] Ja, so mehr oder weniger, ja.

Also studierst du?

Ja. Ich studiere und bin ziemlich oft hier oben. In der Germanistik viel und trink viel Kaffee. Aber meistens meinen eigenen. Weil man viel Geld spart.

Anton Maria Moser. Spencer. Rapper. Autor. Das sind Namen und Titel, die ich für dich gehört habe und ähnlich den ähnlich verwirrenden Namensgebungspraktiken des vormodernen China würde mich interessieren – was stimmt wirklich? Oder ist die Konfusion gewollt?

Also ich kann dir mal meinen Ausweis zeigen [holt Ausweis heraus], auf meinem Ausweis steht:

Name: Moser.

Vorname: Anton und Maria.

Bedeutet, Anton Maria Moser ist eigentlich mein offizieller Name, mein Geburtsname. Aber den zweiten Namen Maria verwende ich halt sonst in meinem normalen, bürgerlichen Leben nicht. Ich finde aber, sich eine Art Künstlernamen zu wählen für solche Projekte ganz hilfreich. Und ich mag den zweiten Namen eigentlich ganz gerne, habe ihn aber halt nie verwendet und deswegen habe ich mir gedacht, nehme ich in jetzt dazu. Und Spencer war – Ja, das war deutlich pubertärer, die Entstehungsgeschichte. Also ich habe 2013 mit ein paar Freunden Rap-Battles gemacht und da hieß ich erst EvilEnden, weil das mein Let’s Player-Name war. Dann habe ich erst die zwei Es genommen und hab das zu Double E gemacht, das habe ich dann zu Bubble Tea gemacht, und damit habe ich dann tatsächlich ein paar Songs gemacht und die aufgenommen. Das fand ich dann irgendwann so scheiße, dass ich gedacht habe, ich will jetzt einfach irgendwas, was halbwegs okay klingt. Ich glaube, ich fand auch Bud Spencer cool in der Zeit – und dann habe ich halt Spencer genommen.

Gibt es die Songs noch irgendwo, kann man sich die noch anhören?

Oh wowo Ich weiß nicht, ob ich das will. Auf der Seite rappers.in konnte man – kann man immer noch – Sachen hochladen. Und das gibt’s noch, ja.

Interessant, dass das so ein prävalentes Ding ist. Sebastian hatte ja auch in seinem Interview gemeint, das er ebenfalls mit rappen angefangen hat und so dann auch zum Schreiben gekommen ist.

Ja, ich glaub das Rap für junge Leute unseres Alters einfach ein super Einstieg in Lyrik generell ist. Weil es eben so eine textbasierte Musikrichtung ist. Ich fand Rap immer klasse. Bis heute. Es ist eine sehr andere Welt.

Eigentlich noch anschließend an die Namenssache: Du meintest, du fändest es gut, sich eine Art Künstlernamen zu wählen. Erschaffst du damit auch so ein bisschen den Charakter des „Schreibenden Anton Maria Moser“, der vielleicht, natürlich auch ein Teil von dir ist, aber ein bisschen separiert ist von deinem „normalen“ Leben. Quasi gegenübersteht dem „normalen Anton Moser“ und sich auch abgrenzt von „Spencer, dem Rapper“?

Also den Gedankengang habe ich in dem Moment nicht. Es ist vor allem dann hilfreich, wenn man in irgendeiner Form auftritt. Weil man sich dann erstens so ein bisschen löst von der Privatperson.

Wenn ich jetzt als Anton Maria Moser sage: „Geile Titten“, dann ist das was anderes, als wenn ich das als Anton Moser sage. Weil man ist irgendwie immer noch in einem Projekt, man hat nicht dieses: „Ich bin jetzt der süße Anton und erzähl euch aus meinem Leben“, sondern man hat so eine gewisse weitere Stufe, die betont, dass man das irgendwie als Konzept angeht und nicht nur romantische Gedichte über seine Ex-Freundin schreibt. Das hilft einem schon dabei, auf jeden Fall.

Aber so einen richtigen Charakter … So was hätte ich gerne, glaub ich. Aber andererseits ist glaube ich, wenn man jetzt nicht ein totales Talent für Inszenierung hat, eine Nähe an dem, was man wirklich selbst denkt und für richtig und falsch hält, relativ sinnvoll. Aber es ist schon so, dass ich als Rapper/Musiker Spencer glaube ich mehr – direkter an mir als Mensch dran bin und als Anton Maria Moser, was aber auch einfach am Medium liegt, mehr Abstand habe, mehr objektiv bin und auch vielleicht experimenteller von der Perspektive her.

Die nächste Frage hast du eigentlich teilweise schon mitbeantwortet, aber dennoch ein bisschen: Wie bist du zum Schreiben gekommen und was bedeutet es für dich?

Also gekommen zum Schreiben, schwer zu sagen. Ich habe, glaub ich, wie viele Leute so eine Phase gehabt, ganz früh in der Schule, wo man das erste Mal verstanden hat, das es so etwas wie literarisches Schreiben gibt und dann irgendeinen Quatsch geschrieben hat. Aber das würde ich nicht wirklich zu meinen „Anfängen“ zählen. Zum Schreiben gekommen bin ich irgendwann auf jeden Fall über die Musik. Das heißt, man fängt erst an und findet Rap toll; dann findet man Rap-Battles toll; dann findet man es cool, Battletexte gegen andere Leute zu schreiben und irgendwann kommt dann der große Schritt von Battletexten zu Songs an sich. Das heißt, man löst sich von dem „Kampf“ und macht über irgendwelche anderen Themen Lieder und dann kam irgendwann – ich glaube, als ich ausgezogen bin – so der Moment, wo ich das Gefühl hatte, ich will jetzt über Sachen schreiben, die sich besser auf einem Blatt Papier entfalten lassen, als in einem Lied. Und dann hat das angefangen sich so ein bisschen nebenher zu entwickeln. Das war glaube ich am Anfang noch viel bei einander, also das ich beim literarischen Schreiben auch dieses Ich-bezogene hatte und dann auch ein bisschen in die schmierige Poetry-Slam-Richtung geschrieben habe, als ich so 17,18 war, glaub ich. Und dann hat sich dass davon ein bisschen gelöst und ich hab halt immer mehr experimentelle Sachen gemacht, sowohl musikalisch, als auch literarisch.

Und was Schreiben für mich bedeutet… Ich würde lügen, würde ich sagen, ich hätte mir da nicht schon mal Gedanken drüber gemacht. Ich mag das Wort „Drang“ immer ganz gerne, wenn man das beschreibt. Also das man nicht von irgendeiner Quelle berührt wird und das dann so passiert, sondern dass man eher von sich heraus einen Drang verspürt, aktiv zu werden. Und ich würde auch sagen ganz grundlegend künstlerisch aktiv zu werden. Und wenn man von dem Drang ausgeht, dann ist eigentlich das Schreiben an sich nur so eine Art Befriedigung. Also man befriedigt diesen Drang, befriedigt sich selbst und ab und zu zeigt man das Leuten. So funktioniert das Schreiben.

Deine eingereichten Texte hatten bisher immer mit Sterben zu tun. Stirbst du auch bald? Oder hat das einen andern Grund?

Ich weiß nicht, ob ich bald sterbe, ich glaub‘s aber nicht. Mit der simplen Begründung, dass es glaube ich dann ein total langweiliges Leben gewesen wäre. Weil, wenn man sich ein Leben auch als Geschichte vorstellt, dann hätte ich ja jetzt ne Schule, bisschen Studium und das war’s dann. Und da ich eben gerne in diesem Konstrukt des Lebens als aufeinander aufbauende Spannungssteigerung denke, fände ich es glaube ich einfach langweilig, jetzt zu sterben. Deswegen hoffe ich, dass ich jetzt nicht sterbe. [Schmunzeln] Aber warum… Ganz offensichtlich ist der Tod ein wahnsinnig zentrales Thema. Mich interessiert jetzt zum einen die Vorgehensweise, den Tod am Anfang des Lebens in den Mittelpunkt zu stellen – also nicht als Rentner, der bald stirbt und jetzt reflektiert, sondern sich quasi gleich am Anfang mal zu überlegen: Wie steh ich dazu? Und dann haben wir das auch abgehakt. Und man kommt davon ja auch irgendwie nicht von los. Also ich habe jetzt persönlich noch nicht besonders viel Tod erlebt in meinem Leben, aber die seltenen Male, wenn er da war, haben mich halt immer sehr beschäftigt. Und vor Allem, was sagen die Leute über den Tod, bevor er wirklich passiert. Was mich total beeindruckt hat war das erste Mal, als mein Großvater gesagt hat: „Ich werd ja bald sterben“ und man dann als Enkelkind da sitzt und erst Mal einen Kloß im Hals hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Aber beim zweiten, dritten Mal merkt man, es ist auch wahnsinnig befreiend, das sagen zu können und es nicht tot zu schweigen, sondern da offen mit um zu gehen. Und deswegen beschäftige ich mich da gern mit. Es ist auch einfach eine total bequeme Art, eine Geschichte ab zu schließen.

Das stimmt. Aber hast du Angst vor dem Tod? Als real erfahrbare Angst? Denn ich habe bei Menschen unseres Alters oft das Gefühl, dass das noch nicht wirklich gegeben ist, weil man immer denkt, es geht noch weiter, weil kein unmittelbarer Bezug da ist.

Ach, ich weiß nicht. Es ist ja relativ müßig, sich dauerhaft damit fertig zu machen. Aber wenn, dann gehe ich halt gern in die Richtung, dass ich bisschen naiv und gutgläubig von eben diesem ganz simplen Gedanken ausgehe: Es wäre viel zu langweilig. Es kann nicht sein. Das ist vielleicht auch ein bisschen egozentrisch, aber es kann nicht sein, dass das jetzt einfach schon vorbei ist. Und sich das Ganze dann als Plot vorstellen – Ne, das wäre ganz schlechte Arbeit glaub ich.

Könntest du dir deinen Text als Kindheitserinnerung eines depressiven Kamels vorstellen?

Also das Drama jetzt?

Ja, eigentlich erstmal nur die erste Szene, die du ja auch vorlesen wirst bei der Lesung.

Als Kindheitserinnerung eines depressiven Kamels? Ähm, schwierig. Also wichtig ist schon irgendwie so die Perspektive, dass man am Ende seines Lebens zurück blickt auf sein Leben und dann müsste die Szene ja in seiner Kindheit spielen, oder? Also rein logisch in der Geschichte eher nicht, aber die Vorstellung, wie ein Kamel im Bett liegt… Ich sag mal so, das Gesicht, dass er hat, während des ganzen Stücks, sieht ungefähr aus wie ein Kamel. Also das kann man auf die jeden Fall sagen, es hat ungefähr etwas kamel-artiges. Ja, also eine gewisse Gelassenheit. In dem Sinne, vielleicht.

Abschließend: Ist das das erste Mal, dass ein Stück von dir auf einer Bühne aufgeführt werden wird?

Ja.

Und wie kam es dann dazu? Also wenn du vielleicht angehenden Autoren in Würzburg, die sich denken: „Ich will auch was aufführen“ etwas an die Hand geben wolltest?

Also ich hatte schon lange die Idee für das Stück und hatte dann eine Szene fertig, die Erste [die in der kommenden Ausgabe der KLW zu finden sein wird – Anmerkung der Redaktion] und habe die mal bei den Infinite Monkeys bei der Lesebühne vorgetragen. Kann ich übrigens sehr empfehlen, alle die schreiben – geht da hin. Und da hat mich dann der Gründer, Sven Hassel, angesprochen und hat mir einen Schubser gegeben, der wahnsinnig hilfreich war, weil der von außen kam. Wenn du halt noch nie ein großes Projekt gemacht hast, ist das sehr gut, wenn man so jemanden hat. Und der hat gesagt: „Anton, scheib das zu Ende und dann gehen wir zur Studi-Bühne und dann führst du das da auf.“ Und ich habe ihm das natürlich nicht geglaubt. Dann war es aber doch fertig und dann hat er nochmal gesagt: „Anton, wir gehen da jetzt hin.“ Und dann hat er mich an die Hand genommen und wir sind zu diesem Treffen gegangen. Und das Schöne an der Studi-Bühne ist, das eigentlich alles möglich ist, man hat eigentlich keine Grenzen. Jedes Projekt ist für sich selbst verantwortlich, du kannst es direkt an die Wand fahren, du kannst aber auch das Beste überhaupt draus machen. Weil du halt fast komplett frei bist. Und daraus resultiert, das Einzige, was man eigentlich braucht, ist eben der Entschluss, es zu machen. Und dann kannst du eigentlich so ein Ding aufführen.

Danke für das Interview!