Deutschland

Deutschland,

ich warte an deinen Ausfahrten
ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten.
Ein Spatz
tanzt über
abgasvernebelten Asphalt.
Wann rollst du mir dein Fenster herunter?

Deutschland,
ich stehe frierend am Morgen und sammle das hinterbliebene Pfand deines Rausches.
Es kann doch nicht sein,
dass du mit dem Holocaust umgehst
wie ein Alkoholiker mit seinem Wochenende?

Deutschland, wer soll nur deine Grenzen schützen?
Die Polizei ist beschäftigt, mich vom Seitenstreifen aufzusammeln.

Deutschland, ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten:
Perplexer Rentner
sucht seine Paybackkarte
kratzt sich
am
Sack.
Ich wusste nie, dass man Muskelkater in seinem Daumen bekommen kann

Deutschland,
ich weiß, dass ich in letzter Zeit wenig zuhause war,
aber wieso verschließt du selbst deine Mülltonnen vor mir?
Wenn ich schon angeklagt werde Bananen aus deinen Containern zu fischen
sollte ich vielleicht wieder anfangen, frisch im Laden zu klauen.
Deutschland, ich werde dir das Sie nicht anbieten!
Deutschland, wer soll nur deine Grenzen schützen?
Sie wachsen weiter und weiter mit jedem Tag.

Deutschland,
ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten:
Die Fliegen
lösen sich von der Hundescheiße
wie ein Wirbelwind.

Deutschland,
Ich wünschte ich würde so viel in meine Zukunft investieren wie du in deine Kirchen.
Ich habe vor unsere Probleme noch in DIESER Welt zu lösen
Nicht im JENseits!
Deutschland, wer soll nur deine Grenzen schützen?
Deutschland, ich stehe an deinen Grenzen.
Ich sehe nichts als Abweisung, Trennung, Gewalt, warten auf den Pushback in Kafkas endlos engem Balkanflur der blendenden Bürokratie. Türen führen im Kreis zurück in den Wartebereich;
hoffentlich sind die Antibiotika nicht wieder aus
Deutschland ich stehe an deinen Grenzen und sehe durch die Augen einer 8-jährigen wie ein Schlauchboot mit 50 Menschen unter Schüssen der Küstenpolizei langsam in lichtlos salzigem Teer des Schwarzen Meeres versinkt.
Deutschland wieso schickst du deine Waffen nach Syrien?
Mario Barth wohnt in Berlin-Rudow.

Deutschland, ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten,
Kassiererin
schaut weg, ich krieche
durch den Kindereingang der Sanifairtoilette.

Deutschland, deine Koalition ist kaputter als die Ehe meiner Eltern
Du weißt es steht nicht gut,
wenn der Nachbar besorgt von schreienden Kindern und fliegendem Geschirr die Rechten vor deine Tür wählt.
Deutschland ich weiß, wir haben wenig gemeinsam,
aber lass uns doch zusammenbleiben
für die Kinder!

Deutschland, ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten.
Frisches Karma an Autos
kehrt zurück wie weggewischte Tropfen auf der Windschutzscheibe.

Deutschland, es wird Zeit Amphetamine auch für den Otto Normalverbraucher
und seine alleinerziehende Frau zugänglich zu machen!
Ich mache mir Sorgen um dein BIP.
Deutschland, ich weiß doch
du willst mich nur vor mir selbst beschützen
Deutschland, wenn du wirklich die BRD GmbH bist,
hast du aber ne verdammt beschissene Personalauswahl.

Deutschland, ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten:
LKW-Fahrer
hoch oben hinter den Vorhängen ihrer Kabinen
scheinen unerreichbar…

Deutschland,
du willst doch gar nicht, dass die Dinge sich verbessern
Über was sollen wir dann noch reden?
Deutschland, ich weiß deine harte Schale hat einen weichen Kern!
Kannst du dich nicht emotional weiterentwickeln, damit mein Vater mit mir über mehr reden kann als Sport und Politik?
Deutschland,
ich sehe dein Kennzeichen, ich weiß du kannst mich mitnehmen…

Kassiererin an der Tanksäule
Raucht aus, dreht sich um;
Schüttelt sanft ihren Kopf

Deutschland,
wie viele Silben hat ein Haiku eigentlich?

Deutschland, ich weiß, du hast es nicht so mit fremden Kulturen.
Aber wenn das mit dem Klima sowieso nichts mehr wird,
gib doch wenigstens jedem die Chance
sich von seiner Umwelt zu entfremden, seinen Job zu hassen
und sich fünfmal die Woche von fast food zu ernähren.
Deutschland, ich ziehe durch deine Straßen, ich weiß du kannst mich hören…

Deutschland…
…Ich sitze einsam in meinem Zimmer…
…Ich masturbiere dreimal am Tag…
Ich trage Gras durch deine Städte! … aber am Bahnhof betatschst du trotzdem immer nur die selben paar AfghanInnen!

Deutschland, jetzt stehe ich schon ganz schön lange hier.

Samstagmorgen im Forst
Acht PolizistInnen
folgen mir wie Gänse ihrer
Mutter.

Deutschland, musst du immer so schlechte Berichterstattung über mich machen?
Ich kann mich ja selber nicht ausstehen!
Meine Fingerkuppen sind wund von Sekundenkleber und Glitzer,
um von dir nicht erkannt zu werden
Nachts weine ich in mein Kissen,
wenn ich von deinem Pfefferspray wieder sentimental werde

Deutschland, ich schreibe Haikus an deinen Autobahnraststätten,
Ein paar Bäume
dekorieren den Asphalt.

…Auf dem Navi frisst der tickende Standort seinen Weg entlang der Karte.
Deutschland, du weißt ich will mein Ziel doch gar nicht erreichen!
Ich wünschte, diese Fahrt würde nie enden…

Deutschland, ich wische das getrocknete Sperma von deinen Toiletten
Ich verbringe mein Leben an deinen Supermarktkassen – und hoffe
wenn ich mal nicht mehr bin
ziehst du meine Stundenbilanz
und legst einen Pfandbon auf mein Grab.
Deutschland,
meine Haikus wehen zerknittert durch deine Autobahnraststätten…

Selig, die Straße
wie rauschende Brandung!
Selig,
mein Daumen!
Selig,
die Taube! Sie schüttelt ihren Kopf.
Selig dein Antrag, zurückgewiesen aufgrund von Rechtschreibfehlern!
Selig, mehr verbliebene Biodiversität im Stadtgebiet München als ganz Bayern!
Selig, deine Neokolonialisierung der Balearen mit Handtüchern!
Selig, deine Kadaver von Hühnchen, geschüttet auf Westafrikas Agrarmarkt wie Konfetti in offene Wunden!
Selig, sieben von 70 000 Schwarzfahrer in deinen Gefängnissen!
Selig, erste Sonnenstrahlen! Gleißend einfallend durch die Fenster deiner Clubs,
offenbarender als jedes Jüngste Gericht
Selig, deine Schweine! Auf so engem Raum, übersäht von Zysten, nicht mal mehr tauglich für RTL II
Selig, die gierigen Linsen deiner Touristen! Montagmorgen auf der Spree. Selig, ich! Nach 3 Tagen ohne Schlaf auf ihr Foto tretend
Selig die raue Hornhaut von Kinderhänden,
geformt durch deine Kleider
Selig die Stille

nach dem Amen in der Kirche.
Selig ich,
dich so verachtend
und doch ein Teil von dir.

– gewidmet an Allen Ginsberg