Nietzsche ist tot, Gott auch!

Gott, gelangweilt, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. Und noch eine Ewigkeit mehr … und weitere Ewigkeiten …
Aus lauter Langweile die Schote mit Maria und Jesus. Was hatte ihn da bloß geritten: Der heilige Geist! Und diese komische Siedlerwelt, die er bis zum Überdruss programmiert und wieder zurückgesetzt hatte, musste dran glauben. Da war sogar Meteor-Bowling spannender.
Aus purem Überdruss ließ er sich auf Spielchen mit Luzifer ein: 1815 verlor er eine Wette (es ging um Wetterprognose), weil er zerstreut war und den Tambora-Ausbruch nicht auf dem Schirm hatte. Seither muss er auf der Welt herumkrebsen, in Lebewesen verkörpert, und vor allem aufpassen, dass er vor dem Hinscheiden rechtzeitig einen neuen Wirt findet. Andernfalls wäre er in der Tat tot.
Zunächst erlangte er eine würdige Behausung im jungen Charles Darwin. Gott wusste natürlich, dass der damals sechsjährige Bub ihm im fortgeschrittenen Alter verdammt ähnlich sehen würde. Er machte sich einen Spaß daraus, seine Kenntnis der Siedler-Evolution sanft in das Hirn des kleinen Charles einsickern zu lassen, sollten sich seine unsympathischen, jesuitischen Exegeten doch die Zähne daran ausbeißen. Allerdings fiel es ihm mit der Zeit immer schwerer, seine und Charles Gedankenströme auseinanderzuhalten.
Veränderung war angesagt, und als der junge Sigmund Freud 1875 seine Halbbrüder in Manchester besuchte und bei dieser Gelegenheit ehrfürchtig vor Darwins Anwesen, Down House, flanierte, schaffte Gott den Absprung.
Wieder hatte er sich einen Kirchenfeind ausgesucht, der ihm ähnlich sah. Er sammelte Statuetten, erfreute sich sehr an guten Zigarren und wühlte – eher nebenher – in der Psyche herum. Hatte er als Darwin den Menschen die Illusion genommen, die auserwählten Geschöpfe Gottes zu sein, so zauste er als Freud die Illusion der Willensfreiheit. Ihm war langweilig dabei, und er wurde rallig.
Beim Spazierengehen im Park kam ihm ein aufgeregter, junger Feldhase über den Weg. Gott nutzte die Chance und stieg um. Die nächsten Wochen hielten geradezu himmlische Freuden für ihn bereit: er rammelte, was das Zeug hielt. Liebesblind achtete er nicht mehr genau auf das, was sich ansonsten in der freien Landschaft abspielte.
Die junge Gräfin Dönhoff war sehr reiselustig. In ihren Kreisen war Gastfreundschaft selbstverständlich. Gerne besuchte sie Freunde in England. Zumal wenn Saison war, da sie eine leidenschaftliche Jägerin war. So kam es, wie es kommen musste: Der liebesblinde Gott geriet ihr vor den Lauf und sie drückte kaltblütig ab. Gott war sofort tot. Er musste nicht leiden. Gut gewürzt und mit einem passenden Bordeaux serviert wurde er am kommenden Tag verzehrt. Seither regiert Luzifer. Und die Gräfin fühlte sich mehr denn je als Gottes Ebenbild.